Kunstrasenplatz und Neuverschuldung im Haushalt 2012

20 April 2012

Wer genauer wissen will, wie „Haushaltsdisziplin“ und „Schuldenabbau“ derzeit in Nordrhein-Westfalen gehandhabt werden, bekam im Zusammenhang mit dem geplanten neuen Kunstrasenplatz in Winden in der Kreuzauer Ratssitzung am 18.04.2012 aufschlussreichen Anschauungsunterricht.

Zur Vorgeschichte: Im März 2009, also noch vor den Kommunalwahlen 2009 hatte der V.F.V.u.J. 1902 Winden e.V. den Antrag gestellt, den Trainingsplatz in Winden in einen Kunstrasenplatz umzuwandeln. Daraufhin wurde der Gemeindesportverband um eine Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahme war positiv. Die Kosten wurden auf 300.000 EUR beziffert.

Das Problem war, dass sich Kreuzau ab 2009 wieder im sog. Nothaushaltsrecht befand. Das bedeutet, dass die Gemeinde solche freiwilligen Ausgaben nicht ohne Zustimmung der Kommunalaufsicht leisten durfte. Folglich hat der Rat am 02.02.2010 folgenden Beschluss gefasst: „Grundsätzlich wird der Bedarf für einen Kunstrasenplatz in der Gemeinde Kreuzau gesehen. Aufgrund der finanziellen Situation ist eine Umsetzung kurz- und mittelfristig aber nicht realisierbar. Da Mittel aus dem Konjunkturprogramm II nicht mehr zur Verfügung stehen, sollen durch die Verwaltung andere Finanzierungsmöglichkeiten geprüft werden.“

Im September 2011 zeichnete sich nun ab, dass nach der Änderung des § 76 Absatz 2 GO Haushaltssicherungskonzepte nun auch dann genehmigungsfähig sind, wenn der Haushaltsausgleich erst nach 10 Jahren erreicht wird – bisher waren es 4 Jahre. Was bedeutet das konkret? Wenn eine Gemeinde in einem Langfristplan den Nachweis schafft, dass sie spätestens nach 10 Jahren die laufenden Aufwendungen durch die laufenden Erträge abdecken kann, hat sie ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept und befindet sich nicht mehr im Nothaushaltsrecht. Aus Sicht der Gemeinde hat das den Vorteil, dass sie sofort mehr Freiheiten bei der Vornahme freiwillige Ausgaben hat, auch wenn sie sich dafür höher verschulden müsste.

Diese Botschaft ist in der Gemeindeverwaltung offenbar gut angekommen, und man hat wohl unverzüglich versucht, ein Haushaltssicherungskonzept bereits für den Haushalt 2012 auf Grundlage der neuen 10-Jahres-Regel aufzustellen.

Dabei ist es aber nicht geblieben. Auf Wegen, die wir nicht kennen, muss der V.F.V.u.J. 1902 Winden e.V. Nachricht über die neue Lage erhalten haben. Offenbar in der Überzeugung, dass die Chancen für eine Bezuschussung des neuen Kunstrasenplatzes durch die Gemeinde besser geworden waren, hat der Vorstand des Vereins den Entscheidungsträgern der Gemeindeverwaltung bereits im November 2011 im Rathaus eine Powerpoint-Präsentation über das Kunstrasenprojekt vorgestellt.

Erst im Rahmen der Rede des Bürgermeisters zur Einbringung des Haushalts am 13.02.2012 erhielten die Ratsmitglieder davon Kenntnis, dass die Gemeinde von der Neuregelung des § 76 GO Gebrauch gemacht und ein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept erstellt hat. Der dafür notwendige Haushaltsausgleich sollte spätesten 2022, mit etwas Glück sogar 2020 erfolgen. Über die fragwürdigen Prognosemethoden zur Erreichung des Haushaltsausgleichs hat sich die FDP in der Haushaltsrede 2012 bereits ausführlich geäußert.

In dem am 13.02.2012 eingebrachten Haushalt 2012 ist ein möglicher Zuschuss für den Kunstrasenplatz mit keinem Wort erwähnt worden. Erst in der Sitzung des Hauptausschusses vom 27.03.2012 stellte die CDU-Fraktion den mündlichen Antrag zur Einstellung eines Zuschussbetrages für die Einrichtung eines Kunstrasenplatzes in Winden in Höhe von 200.000 EUR.

Auf Wunsch einzelner Ratsmitglieder übersandte die Verwaltung den Fraktionsvorsitzenden am 02.04.2012 ein nicht unterzeichnetes Papier mit dem Titel „Information zum Thema „Kunstrasenplatz Winden“. Am 14.04.2012 wurden die Mitglieder der FDP-Fraktion vom Vorsitzenden des Vereins, Herrn Boltersdorf vor Ort ausführlich über das Projekt informiert.

Was ergibt sich aus den dem Papier der Verwaltung und den Informationen des Vereinsvorsitzenden für die Position der FDP?

Auf der einen Seite konnte uns der Vorsitzende des Vereins vollständig von der vorzüglichen Jugendarbeit des Vereins und der sportfachlichen Notwendigkeit eines Kunstrasenplatzes überzeugen. Ebenfalls beeindruckte uns Herr Boltersdorf mit der Ankündigung,100.000 EUR durch Eigeninitiativen des Vereins beizusteuern sowie ev. Bürgschaften im Pflege- und Entsorgungsbereich zu übernehmen.

Auf der anderen Seite spricht das Informationspapier der Verwaltung eine deutliche Sprache: Wie man es dreht und wendet, gleich ob der Kunstrasenplatz Eigentum der Verwaltung wird oder ob der Verein im Rahmen eines Erbaurechtsvertrages das wirtschaftliche Eigentum erwirbt, gleich ob von der Gemeinde für die Zahlung des Zuschusses ein Darlehen mit Festzinssatz oder ein variabel verzinslicher Kassenkredit aufgenommen wird, stets bleibt die Gemeinde auf diesem Darlehensbetrag von 200.000 EUR sitzen. Die Verwaltung schreibt zwar: „Die anschließend erfolgende Tilgung ist aus dem Erfolgsplan zu erwirtschaften“. Wie aber soll das geschehen, wenn realistische Überschüsse auch für die fernere Zukunft nicht zu erwarten sind, wenn noch nicht einmal die Abschreibungen für den Platz erwirtschaftet werden können?

Im Klartext bedeutet das: Die 200.000 EUR werden nicht nur in den kommenden 10 Jahren bis zur vollständigen Abnutzung des Kunstrasens zu verzinsen sein, sondern auch auf unbestimmte Zeit darüber hinaus. Hinzu kommt: Nach 10 Jahren wird sich das gegenwärtige Problem erneut stellen. Würde der Ersatz des abgenutzten Kunstrasenplatzes nach 10 Jahren erneut zu bezuschussen sein, stellt sich das Problem erneut. Vielleicht sitzt die Gemeinde dann auf einem Gesamtbetrag von 400.000 EUR fest, ohne Chance der Zinsbelastung jemals zu entkommen.

In den entscheidenden Sitzungen des Hauptausschusses und des Rates vom 18.04.2012 machte der Bürgermeister nun einige eigentümliche Bemerkungen. Die Verwaltung befürchtet offenbar, dass die Kreuzauer Haushalte den Haushaltsausgleich in den kommenden Jahren aufgrund verschlechterter Vorgaben durch das Land nicht mehr schaffen könnten und Kreuzau wieder im Nothaushaltsrecht versinken würde.

Dem Bürgermeister war offenbar außerdem zwischenzeitlich klar geworden, dass die im Überschwang der neugewonnenen Freiheit eingeplanten anderen Zusatzausgaben (z.B. Rathaussanierung, Neueinstellungen von Personal, Grundstückserwerb) bzw. zusätzlichen Pflichtausgaben (Brandschutzbedarfsplan, Sekundarschule, Personalkostensteigerungen) dazu führen könnten, dass der ohnehin auf „Kante genähte“ Haushaltsausgleich verfehlt würde, bzw. nicht ausreichen könnte, auch den Zuschuss von 200.000 EUR für den Kunstrasenplatz aktuell unterzubringen.

Der Bürgermeister sprach mehrfach von einem „äußerst engen Zeitfenster“, dass man ausnutzen müsse, um die vorgesehenen Zusatzausgaben, darunter auch die  für den Kunstrasenplatz, tätigen zu können.

Er betonte, dass ihm diese Entwicklung schlafraubende Sorgen gemacht hätten und schlug eine Erhöhung der Grundsteuern für 2016 und 2021 vor. Die Beträge sollten umgehend in den Finanzplan eingesetzt werden. Er versuchte, die Einwände der FDP dadurch zu entkräften, dass ja die künftigen Gemeinderäte in den Jahren 2016 und 2021 endgültig zu entscheiden hätten. Das trifft zwar zu, aber die Erfahrung lehrt, dass derartige Vorgaben früherer Jahre in der Regel kommentarlos übernommen werden. Wie zur Bekräftigung kam prompt aus den Reihen der SPD der Vorschlag, diese Grundsteuererhöhungen sofort vorzunehmen.

In höchstem Maße irritiert haben uns die Ausführungen des Kollegen Seel (CDU) in dieser Angelegenheit. Er hat darauf hingewiesen, dass die Kommunalaufsicht die Sitzungsniederschriften ebenfalls lesen würde und daher allen Ernstes vorgeschlagen, nur die anfänglichen Ausführungen desBürgermeistes zu protokollieren und alle anderen Diskussionsbeiträge der Ratsmitglieder im Protokoll wegzulassen, damit das Ziel, das Haushaltssicherungskonzept zu erreichen, nicht gefährdet würde. Wir haben unverzüglich und scharf diesem Ansinnen widersprochen, da es die demokratischen Rechte der Ratsmitglieder, sich in freier Rede zu äußern und ihre Wortbeiträge in angemessener Form im Protokoll wiederzufinden, beeinträchtigt. Falls dieser Vorschlag Schule machen würde, brauchten wir keine Parlamente und keine Parlamentarier mehr. Dann genügten Verwaltung und Regierung. Wir gehen davon aus, dass es sich hier nur um einen einmaligen und unbedachten Ausrutscher des Kollegen Seel gehandelt hat, der uns bisher nie durch demokratische Prinzipien in Frage stellende Auslassungen aufgefallen ist.

Für uns war die Frage, wie in diesen Fällen, (Zuschuss zu Kunstrasenplatz und Steuererhöhungen)  abgestimmt werden sollte, sehr schwer zu beantworten.

Auf der einen Seite steht unsere Überzeugung, dass es richtig wäre, die ausgezeichnete Arbeit des Vereins zu würdigen und durch Zahlung des Zuschusses zu fördern. Wir übersehen dabei auch nicht den hohen Nutzen, den die Vereinsarbeit für die Jugendlichen selbst und indirekt für die Gesellschaft insgesamt bietet.

Auf der anderen Seite sehen wir das Problem, dass die Zuschussgewährung entweder nur durch Aufnahme eines „ewigen Kredits“, oder durch Steuererhöhungen für die Grundeigentümer zu finanzieren ist. Der „ewige Kredit“ würde unter Umständen Zinsen für Jahrzehnte verursachen und sich wegen der Notwendigkeit einer Neuanlage des Kunstrasens in 10 Jahren sogar verdoppeln. Bei den Steuererhöhungen würden alle, also auch diejenigen in die Pflicht genommen, die weder direkt noch indirekt von dem Kunstrasen profitierten.

Bei Abwägung beider Seiten mussten wir uns sowohl gegen den verlorenen Zuschuss als auch gegen die geplanten Steuererhöhungen aussprechen.

Wir sind der Auffassung, dass man wirklich irgendwann mit dem Abbau der Schulden Ernst machen muss. Es geht nicht an, schon beim ersten Aufflackern eines Hoffnungsstrahls auf bessere Zeiten, die hier ja überhaupt nicht gegeben sind, alle guten Vorsätze über Bord zu werfen, sofort sich bietende Gelegenheiten zum Öffnen von „Zeitfenstern“ zu ergreifen und die Schuldenlast ohne Not weiter in die Höhe zu treiben.

Wir haben für die Finanzierung des Zuschusses Alternativvorschläge gemacht. So könnten wenigstens die Abschreibungen für den Kunstrasenplatz durch die Erhebung von (ermäßigten) Nutzungsentgelten bei den (auswärtigen) Nutzern erwirtschaftet werden.

Wäre es nicht auch möglich, den Zustand des Rasenplatzes durch Einbau einer Bewässerungsanlage und konsequenter täglicher frühmorgendlicher Beregnung zu verbessern? Wasser ist in der Umgebung reichlich vorhanden.

Ließe sich das Sponsoringkonzept möglicherweise intensivieren? Wir von der FDP würden, wie in jedem Jahr, im Rahmen unserer bescheidener Mittel, auch hier nicht abseits stehen.