Haushaltsrede 2009

21 April 2009

Rede des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP-Fraktion
Prof. Dr. Erik Meurer zum Entwurf der Haushaltsstzung
der Gemeinde Kreuzau für das Haushaltsjahr 2009

Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,

nun liegt uns also der langerwartete erste doppische Haushalt vor. Verglichen mit den Haushalten anderer Gemeinden ist der erste optische Eindruck enttäuschend. Die Verwendung von fotokopiertem Billigpapier dokumentiert zwar den Sparwillen der Verwaltung. Was wirklich stört, sind jedoch die teilweise unsystematischen Nummerierungen, das nirgendwo erläuterte Nebeneinander von Produkt- und Fachbereichen und die gleichzeitige Verwendung von Kostenstellen und Sachkonten, bei der der Erklärungsbedarf des Lesers an keiner Stelle gestillt wird.

Besonders ärgerlich ist die unzureichende Darstellung der internen Leistungsbeziehungen. So ist z.B. die Tatsache, dass die Festhalle fast völlig durch die Schulen finanziert wird, nicht mehr erkennbar. Sie erschließt sich nur demjenigen, der diesen ominösen Sachverhalt aus den Vorjahren bereits kennt.

Die Formulierung der vom NKF verlangten Ziele und Kennzahlen pro Produktbereich sind mehr als dürftig und zur Steuerung des gemeindlichen Handelns völlig ungeeignet.

Es wäre allerdings unfair, nun den Stab über Herrn Decker und die Damen und Herren der Kämmerei zu brechen. Es handelt sich schließlich um die Vorlage des ersten NKF-Haushaltes, dessen Erstellung sicherlich viele Überstunden und schlaflose Nächte gekostet haben dürfte. Die Frage ist nur, ob diese Hektik nötig war. Wir dürfen Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister daran erinnern, dass wir bereits zu Beginn des Jahres 2005 gefordert haben, das NKF schrittweise, aber auf jeden Fall vor 2009 einzuführen. Derjenige der sich sowohl öffentlich als auch in Hintergrundgesprächen am meisten dagegen gesträubt hat, waren Sie persönlich. Wenn Sie unseren Rat befolgt hätten, wären die Kinderkrankheiten der Haushaltserstellung längst ausgemerzt und wir hätten wenigstens eine vernünftige Eröffnungsbilanz. Wenn wir nicht erfreulicherweise durch den Wirtschaftsprüfer mit der Vorlage einer rudimentären Eröffnungsbilanz zum 01.01.2009 informiert worden wären, wüssten wir gar nichts und müssten z.B. bei der Beurteilung der Abschreibungen völlig im Nebel herumstochern.

Hinsichtlich des Informationsgehaltes und der Transparenz des Haushaltes und Formulierung von Zielen und Kennzahlen bleibt auf jeden Fall viel zu tun. Aber wir haben uns ja seitens des Rates vorgenommen, im Sanierungsausschuss selbst aktiv zu werden und unsere Wünsche dort eindeutig zu formulieren.

Inhaltlich möchten wir uns in diesem Jahr nicht an einzelnen Haushaltspositionen festbeißen, sondern die neuen Möglichkeiten des NKF nutzen und einen Blick auf die finanziellen Zukunftsperspektiven der Gemeinde Kreuzau werfen.

Sie schreiben zwar im Vorbericht zum Haushalt 2009, dass im NKF Planbilanzen nicht erstellt würden. Das trifft zu, ist aber in unseren Augen ein Fehler, weil alle dazu notwendigen Informationen bereits vorliegen und ihr Erkenntnisgewinn im Zusammenhang mit anderen Instrumenten wie Finanzplan, Bewegungsbilanz und Kapitalflussrechnung nicht gering zu veranschlagen sind. Wenn die Verwaltung es nicht macht, sei es uns wenigstens gestattet, hier kurz die mit diesen Instrumenten verbundenen Möglichkeiten aufzuzeigen:[1]

Wie die Planung für die nächsten drei Jahre 2009 bis 2011 zeigt, sind für diesen Zeitraum Investitionen in Höhe von insgesamt 4,714 Mio € eingeplant. Der daraus entstehende Finanzbedarf wird durch einen kumulierten Gewinn von 0,110 Mio € und durch verdiente Abschreibungen in Höhe von 4,792 Mio € mehr als abgedeckt. Dadurch sind wir, unter dem Vorbehalt, dass die Planungen auch wirklich so eintreffen, in der glücklichen Lage immerhin 0,188 Mio € unseres Gesamtschuldenbestandes zurückzuführen.

Ein Blick auf die Bilanzdaten zeigt allerdings, dass rd. 10% des Kreuzauer Anlagevermögens, das entspricht einem Betrag von immerhin 13 Mio €, kurzfristig finanziert ist. Für rein kaufmännisch geführte Unternehmen wäre das ein beängstigender Wert, weil die möglicherweise schnell an die Banken zurückzuzahlenden Kreditbeträge nicht durch eine genau so schnelle Veräußerung von langfristig gebundenem Vermögen zu beschaffen wären. Für die Kommunen gilt diese Verletzung der „goldenen Bilanzregel“ als nicht so schlimm, weil sie, wenigstens bisher, als Schuldner allerbester Bonität galten. Allerdings ist zu bedenken, dass die meisten gemeindlichen Vermögensgegenstände gar nicht veräußerbar sind und die Gemeinden diese Kredite im Falle eines Falles überhaupt nicht bedienen könnten.

Dagegen ist die durchschnittliche Eigenkapitalquote von fast 32% nahezu ideal. Viele anlageintensive Unternehmen träumen nur davon, einen solchen Wert ausweisen zu können.

Wenn alles so eintreffen würde, wie in diesem Haushaltsentwurf geplant, könnte man mit Fug und Recht stolz auf das erreichte sein und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken.

Leider ist die voraussichtliche Realität eine andere. Bei einer genaueren Analyse der für die Jahre ab 2010 eingeplanten Werte wird nämlich erkennbar, dass sich die Verwaltung den Haushalt selbst „schöngerechnet“ hat.

Bei der Schätzung der Nutzungsdauern der Vermögensgegenstände bewegt sich die Verwaltung mit wenigen Ausnahmen am Höchstwert des zulässigen Rahmens. Hätte man die Mindestnutzungsdauern gewählt, wären die bilanziellen Abschreibungen um rd. 1/3 höher anzusetzen gewesen. Die Orientierung am Höchstwert ist im Rahmen einer bewussten Bilanzpolitik zulässig. Man muss nur wissen, dass der spätere Ersatz von zwar verschlissenen, aber noch nicht abgeschriebenen Vermögensgegenständen teurer wird, weil diese Güter dann im Wege einer außerordentlichen Abschreibung aus der Bilanz genommen werden müssen.

Weitaus bedenklicher als der Ansatz der Abschreibungen ist der Ansatz der konjunkturabhängigen Erträge, wie die Gewerbesteuer, den Gemeindeanteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer sowie den Schlüsselzuweisungen vom Land.

Bei der Gewerbesteuer war die Verwaltung noch vorsichtig und ist in den Planjahren 2009 bis 2011 von gleichbleibenden Werten ausgegangen. Bei den verbliebenen Ertragsarten hat man hingegen kräftig zugelangt. 7,2 % soll die Steigerung im Jahr 2010 betragen, im Jahr 2011 sollen die Zuweisungen vom Land gar um 9,4% steigen. Der Kämmerer hat hier in seinen Erläuterungen brav darauf hingewiesen, dass die Steigerungsraten der Folgejahre immer den vom Innenministerium empfohlenen Orientierungsdaten für die Finanzplanung der Gemeinden entsprechen.

Meine Damen und Herren, ich weiß auch, welcher Partei der Innenminister des Landes angehört, gleichwohl sollte man die Kirche im Dorf lassen. Ich brauche hier nicht näher zu erklären, dass diese Orientierungsdaten angesichts der Wirtschaftskrise illusorisch sind und ich hätte mir an dieser Stelle vom Bürgermeister und vom Kämmerer mehr Realitätssinn erwartet. Wenn es um die künftige Entwicklung der Gemeinde geht, sollten wir nicht versuchen, uns durch eine schöngefärbte Erwartungshaltung selbst Sand in die Augen zu streuen.

Ich möchte Ihnen hier zwei mögliche Szenarien und ihre Konsequenzen vorstellen. Die Bundesregierung geht derzeit noch von einer Schrumpfung des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 2,25% aus. Wenn ich annehme, dass die gesamten konjunkturabhängigen Erträge nicht, wie von der Verwaltung angenommen steigen, sondern ebenfalls um 2,25% schrumpfen und in 2011 dann gleichbleiben, steht dem gleichbleibenden Finanzbedarf von 4,714 Mio € nur noch eine Finanzdeckung „aus eigener Kraft“ von 1,221 Mio € gegenüber. Statt wie geplant 0,188 Mio € Schulden zu tilgen, müssen wir 3,493 Mio € neue Schulden aufnehmen und auch entsprechend höhere Zinsen zahlen. Die Eigenkapitalquote sinkt auf 29,36%. Interessant ist hier vor allem ein Blick auf unsere Ausgleichsrücklage. Nach der schön gerechneten Planung der Verwaltung würde sie Ende 2011 mit 6,693 Mio € sogar noch höher als der in der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Wert von 6,583 Mio € sein. Bei Erträgen, die der moderaten Planung der Bundesregierung entsprechen, würde sich unsere Ausgleichsrücklage hingegen mit 3,012 Mio € mehr als halbieren.

Das zweite Szenario beruht auf einer Prognose der Commerzbank, die im schlimmsten Fall von einer Schrumpfung des BIP um 9% ausgeht. Träfe dieses Horrorszenario zu, nähme die Finanzdeckung „aus eigener Kraft“ mit minus 1,004 Mio € einen negativen Wert an. Wir müssten dann 5,718 Mio € neue Schulden aufnehmen. Der kurzfristig finanzierte Anteil des Anlagevermögens stiege auf bedenkliche 14,4%, die Eigenkapitalquote sänke von 32% auf nur noch 27,6%.

Besonders der Blick auf die Entwicklung der Ausgleichsrücklage lässt erschaudern. Denn sie würde 2011 nur noch 0,787 Mio € betragen. Dabei ist zu beachten, dass die mit Sicherheit ansteigenden Transferaufwendungen aufgrund der zu erwartenden Arbeitslosigkeit in dieser Planung noch gar nicht berücksichtigt worden sind. Bei einem entsprechenden Ansatz wäre die Ausgleichsrücklage vermutlich dann schon in 2011 völlig aus der Bilanz verschwunden.

Welche Schlussfolgerungen sind aus diesen möglichen Entwicklungen zu ziehen? Ich denke, wir müssen uns darauf einrichten, dass es mit unserer neu gewonnenen Freiheit, den Haushalt frei von aufsichtsrechtlichen Zwängen selbst gestalten zu können, schon bald wieder vorbei sein könnte. Insofern müssen wir uns fragen, ob nicht in der Vergangenheit Fehlentwicklungen eingetreten sind, die es nun in dieser Zwischenperiode durch Setzung anderer strategischer Prioritäten zu korrigieren gilt?

Eine dieser Fehlentwicklungen könnte die langwährende Vernachlässigung des gemeindlichen Straßenbaus sein. Wenn uns der GPA-Bericht einen „optisch guten Zustand des Straßennetzes“ bescheinigt halte ich das, sicher auch mit Zustimmung des Vorsitzenden des Bauausschusses, für einen schlechten Witz.

Ich habe im Februar anlässlich eines familiären Festes viel auswärtigen Besuch erhalten, der aufgrund der Bauarbeiten am neuen Kreisverkehr unser Haus in Drove nur über die Grünstraße erreichen konnte. Meine Damen und Herren, Sie können sich nicht vorstellen, was ich mir bei der Begrüßung der Gäste alles anhören musste. Das wären ja Zustände wie in der früheren DDR. Ein Gast hat auf eine frühere regelmäßige Sendung des WDR am Samstag anspielend gefragt ob es sich bei der Grünstraße um die gemeindeeigene „Rüttelteststrecke“ handele. Ich bin regelrecht unter Rechtfertigungsdruck geraten. Es war mir auf jeden Fall etwas peinlich.

Bereits im Januar hatten wir von der FDP im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket II in älteren Verwaltungsvorlagen geblättert und dabei festgestellt, dass die Grünstraße aufgrund des von der Verwaltung am 22.04.2004 für die nächsten 5 Jahre (also genau bis zum morgigen Tag) aufgestellten Straßeninstandsetzungsprogramms beitragspflichtig komplett neu ausgebaut werden soll. Das gleiche gilt für sechs weitere Straßen, nämlich Flemigstraße, Traubenweg, Marienstraße, Am alten Fuhrweg, Im Bongert und In der Held.

Wenn ich mir nun den vorliegenden Haushaltsentwurf anschaue, kann ich nicht erkennen, dass für irgendeine dieser Straßen besondere Maßnahmen vorgesehen sind. Weder für 2009, noch für 2010, 2011 und 2012.

Herr Bürgermeister, meine Herren von der Verwaltung, ich muss Sie das fragen: Haben Sie Ihren eigenen Fünfjahresplan schlicht vergessen? Oder haben Sie ihn nicht vergessen und kommen bald nach der Kommunalwahl damit heraus, dass die beitragspflichtigen Maßnahmen leider nun „unabweisbar“ notwendig seien um die Anlieger dann zur Kasse zu bitten?

Wie dem auch sei. Ich glaube mich mit allen Kolleginnen und Kollegen im Rat einig, dass es höchst unfair ist, von den Anliegern dieser Straßen wiederum Beiträge zu verlangen, obwohl sie für dieselben Straßen in früheren Jahren bereits Anliegerbeiträge bezahlt haben. Rein rechtlich scheint es im Falle eines kompletten Neuausbaus leider keine andere Möglichkeit zu geben.

Trotzdem ist es nicht verboten, nach anderen Lösungen zu suchen. So geht z.B. die Gemeinde Langerwehe seit einiger Zeit einen nach unserer Auffassung innovativen Weg, indem sie kostengünstige Dünnbettschichten aus Kaltbitumen in solche Straßen einbaut, die ansonsten grunderneuert werden müssten. Ob das z.B. beim Zustand der Grünstraße noch funktionieren könnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Es müsste auf jeden Fall geprüft werden.

Besonders wichtig erscheint mir ein weiterer Aspekt. Hat man z.B. die Grünstraße durchfahren, überquert die Drovestraße und befährt dann die Karl-Arnold-Straße und die Straße Unter den Benden, erkennt man, dass auch diese Straßenzüge in einem höchst bedenklichen Zustand sind. Warten wir auch hier nach dem üblichen Muster ab, so wird uns die Verwaltung bald mitteilen, dass auch diese Straßen beitragspflichtig erneuert werden müssen. Das waren jetzt nur zwei Beispiele. Aber fahren Sie einmal mit kritischen Augen durch die Straßen Ihres Wohnumfeldes und Sie werden sehen, dass es viele Straße in der Großgemeinde Kreuzau gibt, die sich quasi auf der Kippe befinden. Gerade hier wäre zu überlegen, ob für diese Straßen nicht das in Langerwehe mit Erfolg praktizierte DSK-Verfahren angewendet werden kann.

Meine Damen und Herren, wir werden dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2009 zustimmen, weil die u.E. falschen Planansätze nur die Folgejahre betreffen und insofern nicht rechtsverbindlich werden. Wir möchten Sie aber eindringlich bitten, sich mit uns gemeinsam für eine Änderung unserer Prioritäten im Ausgabeverhalten zugunsten des lange vernachlässigten Straßenbaus in der Großgemeinde Kreuzau einzusetzen. Durch die bisher geplanten Maßnahmen für das Konjunkturpaket II, die wir allesamt für sinnvoll halten und deswegen mittragen, werden die zukünftigen Haushalte teilweise entlastet. Diese im normalen Haushalt freiwerdenden und die noch nicht eingeplanten Mittel des Konjunkturpaketes II sollten nach der zu erwartenden Änderung des Art. 104b GG auf jeden Fall für Maßnahmen des Straßenbaus verwendet werden. Darüberhinaus regen wir an, kreativ nach Möglichkeiten zu suchen, schon eingeplante Maßnahmen wie die weitere Sanierung der Festhalle, die nur einer bestimmten Klientel nützt, weiter in die Zukunft zu verschieben. Das Vorhalten eines den Mindestanforderungen entsprechenden Straßennetzes erfüllt nach unserem Verständnis eher das Grundprinzip der kommunalen Daseinsvorsorge als die Sanierung von Prestigeobjekten.

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, wir haben aufgrund der Umstellung auf das NKF unverhoffte Handlungsmöglichkeiten erhalten, die es jetzt zu nutzen gilt. Ich habe Ihnen soeben gezeigt, dass das Zeitfenster, in dem wir etwas ohne aufsichtsrechtliches Störfeuer unternehmen können, möglicherweise sehr eng ist. Wir können auf keinen Fall warten, bis wir in einigen Ortsteilen eines Tages auf Sandpisten fahren. Handeln wir jetzt, und zwar zum Nutzen aller Bürger von Kreuzau.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit


[1] Die folgenden Ausführungen werden durch entsprechende Zahlen am Smartboard dargestellt.