Haushaltssituation 2010

28 April 2010

Die Haushaltsberatungen 2010 waren in mehrfacher Hinsicht ein Trauerspiel. Was ist geschehen?

Als vor der Kommunalwahl 2009 Bürgermeister Ramm und die Kreuzauer CDU wegen des erstmals nach langer Zeit strukturell ausgeglichenen Haushalts in Jubel ausgebrochen waren und bereits auf “Wolke sieben” schwebten, hatten wir bereits in unserer Haushaltsrede 2009 als einzige Partei auf die bedrohliche Zukunftsentwicklung hingewiesen und  angemahnt, sich im Ausgabeverhalten nur noch auf die wirklich dringenden Maßnahmen der Daseinsvorsorge (z.B. Erhaltung des Straßennetzes) zu beschränken. Auch im Kommunalwahlkampf haben wir diese Position konsequent verfolgt.

Nach und nach rückte die Verwaltung unter Bürgermeister Ramm scheibchenweise mit dem Ausmaß der wirklichen Haushaltslage heraus. Dabei fiel auf, dass sogar bei Einbringung des Haushalts 2010 immer noch mit unrealistischen Annahmen hinsichtlich der Belastungen durch die Kreisumlagen gearbeitet wurde. Erst mit Schreiben vom 02.03.2010, also wenige Tage vor der Sitzung des Hauptausschusses, musste Bürgermeister Ramm einräumen, dass die Haushaltswirtschaft der Gemeinde Kreuzau ab 2010 “wieder nach den Vorgaben des Nothaushaltrechtes geführt werden” müsse.

Das bedeutet, dass nach § 82 Gemeindeordnung gravierende Einschränkungen zu beachten hat: “So darf die Gemeinde ausschließlich Aufwendungen entstehen lassen, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist oder für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind; sie darf insbesondere Bauten, Beschaffungen und sonstige Investitionsleistungen, für die im Haushaltsplan des Vorjahres Finanzpositionen oder Verpflichtungsermächtigungen vorgesehen waren, fortsetzen.” Die Hinweise zum Nothaushaltsrecht des Innenministeriums NRW vom 04.06.2003 sprechen hierzu eine deutliche Sprache: “Neue freiwillige Leistungen kommen nicht in Betracht. Der bisherige Umfang freiwilliger Leistungen ist schrittweise zu reduzieren; dabei ist die Kündigung bestehender rechtlicher Verpflichtungen einzubeziehen” (S. 7) “Keinesfall dürfen rechtliche Verpflichtungen erst geschaffen werden”. (S. 4)

Man hätte erwarten können, dass die Verwaltung nun aktiv werden würde und den Haushalt selbst nach Einsparpotenzial, zumindest aber nach Aufwandspositionen durchforsten würde, die nun nicht mehr zulässig sind. Hier sei nur auf das Beispiel der Nachbarstadt Düren verwiesen, wo jeder Amtsleiter verpflichtet wurde, in seinem Zuständigkeitsbereich knapp 6% einzusparen und den Rat über den Erfolg seiner Sparbemühungen zu unterrichten.

In Kreuzau geschah genau das Gegenteil.  Zwei Tage nachdem feststand, dass sich die Gemeinde wieder im Nothaushaltsrecht befand, überraschte der Bürgermeister die Mitglieder des Hauptausschusses am 05.03.2010 mit einer Vorlage, mit der die Aufwandsentschädigungen für das Führungspersonal der Freiwilligen Feuerwehr um insgesamt 127,49% erhöht werden sollten. Wenige Tage später am 17.03.2010 ist dem Bürgermeister noch eingefallen, dass die Heizungsanlage im Polizeigebäude im Wert von 13.000 € erneuert werden müsste. Außerdem wollte sich die Verwaltung noch schnell den Einbau einer Klimaanlage im Dachgeschoss des Rathauses im Werte von 15.000 € genehmigen lassen.

Man kann festhalten, dass Bürgermeister Ramm in seinen offiziellen Reden stets die knappe Haushaltslage und seinen Willen zum Sparen betont (Zitat: “Wir brauchen keine Haushaltssperre, weil Ausgabendisziplin für uns schon selbstverständlich ist”). Leider lässt er seinen Reden selten Taten folgen. Sobald eine Interessengruppe (seien es Vereine oder die freiwillige Feuerwehr) Forderungen finanzieller Art erhebt, ist der Bürgermeister in seinen Vorlagen sofort bereit, diesen Forderungen in vollem Umfang oder sogar noch darüber hinaus nachzukommen. Sobald es allerdings um den “normalen” Bürger geht, ist er auch bereit zu kürzen. So soll der Erwerb einer Wartehalle im Ortsteil Üdingen im Wert von 7.000 € kurzfristig aus dem Haushalt herausgenommen werden, weil es sich, und das ist richtig, um eine freiwillige Ausgabe handelt. Andere Kürzungsvorschläge sind allerdings von der Verwaltung nicht gekommen.

Wie haben die einzelnen Parteien reagiert?

Wie meistens in der Vergangenheit, hat die FDP als erste Partei die Initiative ergriffen und am 18.03.2010, also noch rechtzeitig vor der Sitzung des Hauptausschusses am 23.03.2010 fünf detaillierte Änderungsanträge eingebracht.  Durch ein Versäumnis der Gemeindeverwaltung wurden unsere Anträge den Mitgliedern des Hauptausschusses nicht zur Verfügung gestellt, sodass unsere Anträge ohne Kenntnis des Forums zwischen Bürgermeister und FDP diskutiert werden mussten.

Die CDU hat sich bei den diesjährigen Haushaltsberatungen mehr als früher zurückgehalten. Sehr spät, nämlich am Tage der Sitzung des Haushaltsausschusses wurden den Ausschussmitgliedern eine Tischvorlage mit Änderungsanträgen überreicht. Wesentlich war, dass die CDU ohne Kenntnis unseres im Ergebnis gleichlautenden Antrages ebenfalls eine Erhöhung des Ansatzes für die Unterhaltung der gemeindlichen Straßen um 300.000 € beantragt hat. Im übrigen ist die personell eng mit der Verwaltung verwobene CDU erwartungsgemäß den Vorlagen des Bürgermeisters in allen Punkten gefolgt.

Sehr spät, aber noch gerade noch rechtzeitig am Wochenende vor der Ratssitzung vom 13.04.2010 hat Bündnis 90/Die Grünen einen umfangreichen Katalog von Änderungsanträgen und Anfragen an die Verwaltung vorgelegt. Die Anträge gingen oft in die richtige Richtung, waren auf Einsparungen und Nachhaltigkeit angelegt, leider aber vielfach nicht bis zum Ende gedacht oder wurden von der Verwaltung widerlegt, sodass letztlich sämtliche Anträge von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zurückgezogen wurden.

Eine geradezu klägliche Vorstellung hat in diesem Jahr leider die SPD geboten. Obwohl zwischen Einbringung des Haushaltes am 02.02.2010 und der abschließenden Beschlussfassung über den Haushalt am 13.04.2010 nun wahrlich viel Zeit verflossen ist, hat es die SPD verstanden, am 12.04.2010 um 16:55 Uhr der Verwaltung und den Fraktionsvorsitzenden von CDU und FDP (Bündnis 90/Die Grünen wurden “vergessen”) insgesamt acht Änderungsanträge zuzumailen. Wer die Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden der SPD nachliest, erkennt mit Erstaunen, dass die SPD  zwar “aus dem Fenster heraus” verbal scharfe Angriffe gegen die CDU richtet, in der Sache jedoch, d.h. wenn es konkret ums Sparen geht,  fast zu hundert Prozent Bürgermeister und CDU dabei unterstützt, mehr Geld zu verteilen. Ein Beispiel für die angesichts der Sparzwänge geradezu verantwortungslose Kooperation zwischen CDU und SPD  ist der Antrag der SPD, die Sanierung der Toilettenanlage in Thum mit 10.000 € zu bezuschussen. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Gerade die SPD, die im Normalfall keinen Antrag einer anderen Partei behandeln kann, ohne ihn “in der Fraktion” wochenlang zu beraten, verlangt von den anderen Parteien, dass sie diesem Antrag, der wenige Stunden vor der entscheidenden Ratssitzung eingereicht worden ist, zustimmen sollen. Aber wie durch ein Wunder war die CDU, die sonst ebenfalls nichts ohne vorherige Fraktionssitzung entscheiden kann,  sofort für diesen Antrag. Und auch Bündnis 90/Die Grünen haben zugestimmt. Allein die FDP hat den Antrag geschlossen abgelehnt, weil diese Ausgabe, ebenso wie die für die Wartehalle in Üdingen eine neue freiwillige Ausgabe darstellt und somit gemäß § 82 Gemeindeordung verboten ist.

Was ist im einzelnen aus den Anträgen der FDP geworden?

Unser vielleicht wichtigster Antrag war darauf gerichtet, die Verpflichtungsermächtigung über die Ausgabe von 80.000 € für das nachträglich eingeplante Staffelgeschoss für einen Schulungsraum der Freiwilligen Feuerwehr Üdingen zu streichen. Die ursprüngliche Planung hatte bereits einen kleineren Schulungsraum vorgesehen. Im übrigen befinden sich in einer Entfernung von 30 Metern genügend Räumlichkeiten um Schulungen der Üdinger Feuerwehr durchzuführen. Insofern handelt es sich um eine Investition, für die am 08.12.2009 zwar ein Ratsbeschluss  gefasst,  jedoch keine Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt  eingestellt worden ist. Nur für den Fall, dass die Verpflichtungsermächtigung  bereits im Haushalt 2009 eingestellt worden wäre, dürfte das Staffelgeschoss nach § 82 Gemeindeordnung gebaut werden. “Keinesfalls dürfen rechtliche Verpflichtungen erst geschaffen werden” (Innenministeriums NRW vom 04.06.2003, S.4).  Der Ratsbeschluss vom 08.12.2009 ist keine rechtliche Verpflichtung im Sinne des § 82 GO. Er ließe sich problemlos rückgängig machen, wie das bereits im Fall des Beschlusses über Pflegekostenzuschüsse an die Fußballvereine praktiziert worden ist, zumal mit den Baumaßnahmen noch nicht begonnen worden ist. Bevor über den Antrag abgestimmt wurde, hat die FDP alle Ratsmitglieder und den Bürgermeister nochmals eindringlich mündlich darauf hingewiesen, dass ein Beschluss über die Einstellung der Verpflichtungsermächtigung in den Haushalt rechtswidrig sei. Trotzdem wurde unser Antrag auf Streichung der Verpflichtungsermächtigung bei  drei Ja-Stimmen der FDP, einer Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und 30 Nein-Stimmen (alle von CDU, SPD und restliche Grüne sowie Bürgermeister Ramm) abgelehnt.

Unsem Antrag, den Ansatz für die “Unterhaltung der Straßen” von 200.000 € um 300.000 € auf insgesamt 500.000 € zu erhöhen, ist die CDU (ohne interfraktionelle Absprache) fast zeitgleich beigetreten. Die nach § 82 Gemeindeordnung notwendige gesetzliche Verpflichtung für die Einstellung in den Haushalt lässt sich aus der Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde herleiten.Die SPD hat sich den Anträgen von FDP und CDU, wie oben beschrieben, praktisch in letzter Minute angehängt, sodass die Erhöhung einstimmig beschlossen worden ist. Wir werten das Ergebnis als großen Erfolg unserer Bemühungen im letzten Jahr, als wir das Thema in unserer Haushaltsrede 2009 und  unserem Kommunalwahlkampf erstmals in die politische Diskussion getragen haben. Das Ergebnis zeigt: “Steter Tropfen höhlt den Stein!” Dass sich die SPD unserer Initiative sowohl in ihrem Wahlkampf mit eigenen Anträgen zum Ausbau von Straßen als auch jetzt unserem Änderungsantrag vom 18.03.2010 angehängt hat, freut uns, offenbart aber auch eine neuerdings nicht zu verkennende populistische Komponente sozialdemokratischer Politik.

Unseren Antrag auf Nachweis, wieviele Bürodrehstühle in der Verwaltung so unfallträchtig sind, dass ihr Austauch rechtlich geboten ist,  haben wir zurückgezogen, weil von der Verwaltung glaubhaft ausgeführt wurde, dass von den 40 auszutauschenden Bürodrehstühlen 39 Stück defekt sind.

Auch unseren Antrag auf Streichung des Ansatzes für den Ersatz der Heizungsanlage im Polizeigebäude haben wir zurückgezogen, weil das Alter der Anlage (31 Jahre) über kurz oder lang einen wirtschaftlichen Betrieb nicht mehr gewährleistet hätte.

Für unseren Antrag auf Streichung des Ansatzes für den Einbau der Klimaanlage in das Verwaltungsgebäude mussten wir auf Abstimmung bestehen, weil diese Investition nach § 82 Gemeindordnung rechtlich unzulässig ist, da Auszahlungen geleisten werden, zu denen die Gemeinde rechtlich nicht verpflichtet ist. Unser Antrag wurde mit derselben Stimmenzahl wie bei der Abstimmung über die Verpflichtungsermächtigung von der Mehrheit des Rates abgelehnt.

Auch unseren Antrag auf Kürzung der Aufwandsentschädigungen für Fraktionsvorsitzende und Ratsmitglieder mussten wir zurückziehen, da wir vom Bürgermeister den rechtlichen Hinweis erhalten haben, dass der Rat einen solchen Beschluss nicht fassen dürfe, da er in unzulässiger Weise in die Landesgesetzgebung eingreifen würde. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Niederschrift  über die Sondersitzung  des Hauptausschusses vom 13.04.2010: “Dr. Meurer führt aus, dass die FDP-Fraktion den Antrag … zurückziehe. Er möchte aber die Ratskollegen ermuntern, auf 10% der Aufwandsentschädigungen zu verzichten. Die FDP-Ratsmitglieder werden dies tun und das Geld für einen Fairnisspreis bei Jugendfußballturniern ausloben.” Wir wollten mit dieser Initiative bewirken, dass die Mitglieder des Rates über die bisherige Spendenpraxis aller Parteien hinaus, ein deutliches Zeichen weiteren Verzichts setzen, damit allen gesellschaftlichen Gruppen der Gemeinde klar wird, dass künftig mit stärkeren Einschränkungen in allen Bereichen zu rechnen ist.

Auch mit unserem Antrag die Aufwandsentschädigungen für das Führungspersonal der Freiwilligen Feuerwehr auf den zu rechtfertigenden Inflationsausgleich von durchschnittlich 13,46% zu begrenzen sind wir an der Haltung von Bürgermeister, CDU und SPD gescheitert, die ohne zu zögern der von der Feuerwehr geforderten Erhöhung um durchschnittlich 127,49 % zugestimmt haben. Auch in diesem Fall wurden unsere Bedenken, dass die Schaffung und Vergütung neuer Funktionen neue freiwilligen Ausgaben darstellen und nach § 82 Gemeindeordnung unzulässig sind, in den Wind geschlagen.

Obwohl unsere Einsparvorschläge bei den anderen Parteien kein Gehör gefunden haben, mussten wir in unserer Haushaltsrede 2010 selbstkritisch einräumen, dass diese Vorschläge einschließlich unserer Haltung zur Erhöhung der Pflegekostenzuschüsse an die Fußballvereine im Verhältnis zur Größenordnung der Haushaltsprobleme der Gemeinde nur “Peanuts” darstellen.

Die große Aufgabe der Zukunft wird sein, durch strukturelle Veränderungen zu größeren Einsparungen zu kommen, die für die nachfolgenden Generationen eine gewisse Entlastung bewirken. Hierzu wird es notwendig sein, die Bürger mit “ins Boot zu holen”. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.

Man darf gespannt sein, ob und inwieweit die anderen Parteien bereit sind unserer Initiative zu folgen.